Demokratie: Intrigen und Korruption oder die „Wahrheit“

Am Dienstag im Kino: der neue Steven Spielbergfilm „Lincoln“

Die Grundlage von Spielbergs Film ist ein Sachbuch: Das 2005 von der Pullitzer-Preisträgerin Doris Kearns Goodwins veröffentlichte „Team of Rivals: The Political Genius of Abraham Lincoln“.

Spielberg beschränkt sich in seiner Darstellung auf die Anstrengungen, das 13. Amendment der US-amerikanischen Verfassung im Repräsentantenhaus durchzusetzen. Die Skaverei sollte verboten werden.
Der Bürgerkrieg tobte in seiner Endphase, die Südstaaten standen vor ihrer Kapitulation. Lincoln war in einer Zwickmühle. Im Verbot der Sklaverei sah er eine notwendige Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden, Ein zu schnelles Ende des Krieges und die Wiederherstellung der staatlichen Einheit, hätte die Verabschiedung des Zusatzartikels verhindert.

Nun begann eine taktische Gratwanderung. Die eigenen republikanischen Reihen, die den Artikel wollten, mussten zusammegehalten und aus dem Lager der Demokraten mussten Abweichler geworben werden, um die nötige Zweidrittelmehrheit zu erzielen. Er schaffte es mit Mitteln, die wir mit Fug und Recht als Intrige oder gar als Korruption bezeichen. Stimmen wurden mit Ämtern gekauft und durch Drohungen gesichert.

Der Erfolg rechtfertigte die Mittel: Der Zusatzartikel wurde verabschiedet, die Sklaverei abgschafft.

Gar nicht fern von dieser Thematik ein anderer Film: Margarethe von Trottas „Hannah Arendt„.

Die Philosophin Hannah Arendt, als Jüdin selbst aus Deutschland geflohen, in Frankreich interniert und schließlich in die USA übergesiedelt, erhält den Auftrag, für „The New Yorker“ eine Artikelserie über den Eichmann-Prozess zu verfassen, der 1961 in Jerusalem geführt wurde. So entstand „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen„, das für erhebliche Unruhe und Anfeindungen sorgte. Zum einen bezeichnete sie Eichmann als „normalen Menschen“ und sprach ihm alles Dämonische ab. Zum anderen wurde ihr wegen ihrer Aussagen über die Judenräte und ihre Rolle in der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik vorgeworfen, Opfer zu Tätern zu machen.

Arendt vertrat als Philosophin die Position, dass das „Wahre“ gesagt werden müsse, ob es politisch opportun sei oder nicht. Strategische Überlegungen über die Wirkung, Zeitgemäßheit oder Verständlichkeit ihrer Aussagen waren ihr fremd. Von ihrem Lehrer, Martin Heidegger, der in vermeintlicher Politikferne das nationalsozialistische System begrüßte, war sie im Umgang mit politischen Fragen nicht weit entfernt. Wie wahr ist die „Wahrheit“, wenn sie zerstörerisch wird?

Hätte sich mit der Wahrheit die Sklaverei abschaffen lassen?

Von (realen) Menschen und Scheinwelten…

Wo spielt sich unser Leben ab?

Wir schleppen Vergangenheit mit uns und bauen auf die Zukunft.

Altlasten auf unseren Schultern setzen unseren Rücken zu, verursachen Schmerzen und einen gebückten Gang. Kaum habe ich mich von einer Last befreit, steht die nächste bereit.

Unser Alltag will, dass wir funktionieren, planen, vorsorgen – für das Leben, das einmal sein wird. Früher war es die Glückseligkeit des ewigen Lebens. Heute sind es die Rente, der nächste Urlaub, das Wochenende oder der Feierabend…

Was ist Gegenwart? Wie lange dauert sie?

„Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!“ Goethe, Faust I (1699-1702)

Gegenwart ist kein Stillstand, kein Verweilen im Hier und Jetzt. Gegenwart ist lebendig und braucht lebendige Gegenüber. Das klingt banal. Ist es auch. Dennoch fällt es mir schwer, die Gegenwart lebendig zu gestalten. Die Menschen, mit denen ich lebe, in ihrer widersprüchlichen Lebendigkeit anzunehmen – und das Gefühl zu haben, ebenso angenommen zu werden.

Kann etwas schöner sein, als Alltag, der zu lebendiger Gegenwart wird?
Work-Life-Balance heißt das Zauberwort. Doch auch hier steckt der Widerspruch von Arbeit und Leben schon im Begriff: Ein Widerspruch, der in der Gegenwart aufgehoben sein will.
Hier die Arbeit, da das Vergnügen? Was für ein Gegensatz!
Allgegenwärtige, von Lebendigkeit gefüllte Gegenwart ist eine Illusion. Gegenwart ist nicht immer lustig, locker und entspannt. Manchmal erfordert sie Mühe, manchmal tut sie weh.
Doch eine größere Illusion ist es, unserem realen Leben, den wirklichen Menschen um uns, eine Scheinwelt entgegenzusetzen. Ist sie utopischer Ausblick, könnte neues Leben in den Alltag kommen. Wird sie zur geträumten Alternative, in die wir uns zurückziehen und an der wir unsere Gegenwart messen, dann bleibt das Leben auf der Strecke.

Patschen und Werken…

Alles könnte so einfach sein. Die Zutaten finden sich in fast jeder Familie. Zumindest dann, wenn die Familie auch Familie genannt werden kann…

Die Rezeptur: Ein Mann, eine Frau, Kinder nach Wahl… Alles gut vermengen und in ausreichend Wohnraum reifen lassen.

Schon nach wenigen Monaten wächst ein buntes und fröhliches Miteinander, in dem sich alle lieb haben. Das Glück sprengt jeden Rahmen – was kann es schöneres geben?

Irgendwie muss in der Zubereitung etwas schief gegangen sein. Da ist dieser komische Beigeschmack von Eifersucht, der Angst zu kurz zu kommen. Meine Kinder, Deine Kinder…

Bunt ist die Welt, lustig auch. Aber das Patschen und Werken macht Arbeit. Richtig viel Arbeit.